Die Sommer werden immer heißer und die Wetterverhältnisse zunehmend extremer. Alle Lebewesen versuchen, mit diesen starken Schwankungen zurecht zu kommen und dabei das eigene System konstant zu halten. Unser Körper ist da keine Ausnahme: Bei erhöhten Temperaturen steigt im Idealfall nicht etwa die eigene Körpertemperatur, sondern wir schwitzen, sodass die überschüssige Wärme unseren Organismus wieder verlässt. Die Abkühlung durch Schwitzen bedeutet allerdings auch Arbeit für den Körper und somit erhöhten Energieverbrauch. Es steigt die Herzfrequenz und die Energie, die fürs Abkühlen benötigt wird, muss schnell nachgeliefert werden – fehlt gleichzeitig aber auch an anderen Stellen. Aus dem Grund fühlen wir uns schlapp, werden schneller müde und können nicht so leistungsstark Sport treiben.
Es gibt einige physiologische Funktionen, die immer im Gleichgewicht gehalten werden, damit unser Körper funktioniert. Dieses Gleichgewicht nennt sich Homöostase. Die Fähigkeit des Körpers, dieses Gleichgewicht auch unter Extrembedingungen – wie in diesem Beispiel Hitze – konstant zu halten, nennt sich dann homöostatische Resilienz.
Der Ausdruck Resilienz ist eher bekannt aus der Psychologie und beschreibt die Stressresistenz oder Widerstandskraft, mit schwierigen Situationen umzugehen. Physiologische Parameter, die im Gleichgewicht gehalten werden, sind zum Beispiel Blutdruck, arterielle Sauerstoffkapazität, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Hormonspiegel, pH-Wert oder Körpertemperatur. Diese Werte können nicht völlig statisch gehalten werden, sondern schwanken „homöodynamisch“ innerhalb einer Pufferkapazität. Je größer die Pufferkapazität, desto höher die Resilienz des Systems.
Neuronale Mechanismen – Homöostatische Resilienz im Gehirn
Als zentrales Schaltwerk des Körpers ist das Gehirn mit seinen neuronalen Schaltkreisen auch erste Anlaufstelle für die homöostatische Regulation. Um auf äußere Einflüsse zu reagieren und das innere Gleichgewicht anzupassen und auszutarieren, arbeitet unser Körper viel mit Hormonen. Die Ausschüttung der Hormone wird meistens über Befehle aus dem Gehirn kontrolliert. Die Hauptkontrolle darüber liegt im Hypothalamus und im Rückenmark. Hier beginnen zwei zentrale Achsen des Nervensystems, die die Produktion und Ausschüttung von Hormonen regulieren.
Die schnellere Achse aktiviert, ausgehend vom Rückenmark, die Ausschüttung der Hormone im Nebennierenmark. Sie ist Teil des Sympathikus und wird als Sympathikus-Nebennierenmark-Achse (HNA) bezeichnet. Im Nebennierenmark werden Adrenalin und Noradrenalin produziert. Die zweite Achse (HPA) aktiviert die Ausschüttung von Glukokortikoiden in der Nebennierenrinde. Die Steuerung dafür sitzt im Hypothalamus, welcher die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) zur Ausschüttung des adrenokortikotropen Hormons (ACTH) veranlasst. Dieses Hormon aktiviert dann schließlich die Ausschüttung der Glukokortikoide im Nebennierenmark. Durch diese Zwischenschritte ist das System deutlich langsamer.
Die Ausschüttung von Stresshormonen dient als Schutzmechanismus für den Körper. Eine zu lange und/oder zu hohe Stressreaktion kann sich allerdings schädlich auf den Körper auswirken. „Sich vor Angst in die Hosen machen“ ist aus medizinischer Sicht also nicht sinnvoll
Stoffwechsel – Anabolismus und Katabolismus
Neben neuronalen Mechanismen sind auch metabolische Kreisläufe an dem Gleichgewicht, welches durch Hormone mitgesteuert wird, beteiligt. Wie du vielleicht weißt, bezeichnet Metabolismus den Stoffwechsel und kann in Anabolismus und Katabolismus aufgeteilt werden. Anabolismus kennst du am ehesten vom Begriff der Anabolika. Diese fördern den Muskelaufbau und werden zwar gerne, aber verbotenerweise im Bodybuildingsport eingesetzt. Anabole Prozesse bauen körpereigene Stoffe auf und verbrauchen dabei in der Regel Energie. Das Pendant dazu ist der katabole Stoffwechsel. Hier werden körpereigene Stoffe unter der Freisetzung von Energie abgebaut. Ein ganz einfaches Beispiel für diese zwei gegenspielenden Stoffwechsel ist die Speicherung von Körperfett (anabol) und der Abbau von Körperfett (katabol).
Fett als unterschätztes Gut
Fett – egal ob als Nahrungsbestandteil oder als Pölsterchen am Körper – ist in unserer Gesellschaft meist negativ konnotiert. Zu Unrecht. Fett kann nämlich sehr viel. Unter anderem viel Energie liefern und speichern. Ein Gramm Fett kann mehr als doppelt so viel Energie speichern und liefern wie die gleiche Menge Kohlenhydrate. Es ist die effizienteste Energiequelle. Deshalb speichert der Körper den Großteil der überschüssigen Energie in Fett, um sozusagen für schlechtere Zeiten Reserven anzulegen und keine Energie zu verschwenden – dies ist der Anabolismus.
Jedoch gilt auch hier – wie bei allem – die Dosis macht das Gift. Denn zu viel Körperfett und zu viel fettige Nahrung erhöhen das Risiko für Herzkreislauferkrankungen und andere Erkrankungen massiv. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass ein hoher Körperfettanteil nicht automatisch auf den Lebensstil der Person schließen lässt. Einige Krankheiten fördern die Einlagerung von Fett und die Betroffenen leiden sowohl unter den physischen als auch den psychischen Folgen durch Stigma. Der Abbau des Körperfetts geschieht, wenn der Körper akut keine anderen Energiequellen zur Verfügung hat. Dann wird die Energie des Körperfetts genutzt – das nennt sich dann Katabolismus.
Zurück zur Homöostase: Ein gutes Gleichgewicht zwischen Anabolismus und Katabolismus und eine gute Resilienz bei größeren Schwankungen spricht tendenziell für eine gute Gesundheit und demnach für eine erhöhte Langlebigkeit. Ein ständiger und zu starker Wechsel zwischen auf- und abbauenden Prozessen würde den Körper stressen.
Immunsystem und Homöostatische Resilienz
Wiederholte Krankheitsausbrüche zeigen es uns immer wieder: Ein gutes Immunsystem ist eine tragende Säule unserer Gesundheit. Trifft eine Infektion unseren Körper, hat das angeborene und das erworbene Immunsystem einige Werkzeuge zur Hand, um damit zurechtzukommen. Es ist weder gut, wenn das Immunsystem bei einer harmlosen Infektion überreagiert, zu hohes Fieber und Entzündungen startet und dadurch sich selbst schädigt. Noch ist es gut, wenn das Immunsystem gar nicht reagiert und sich die Infektion dadurch einfach ausbreiten kann.
Wie du bereits im Hallmark of Health Artikel zu den Schaltkreisen gelernt hast, sind fast alle Funktionen des Körpers auf bestimmte Art und Weise miteinander verbunden und voneinander abhängig. So bewirkt ein erhöhter Spiegel an Zytokinen (das sind Botenstoffe des Immunsystems, die Entzündungen und Immunreaktionen aktivieren) die Aktivierung der HPA Achse. Zur Erinnerung: Über die HPA Achse werden Glukokortikoide wie Cortisol freigesetzt.
Gleichzeitig beeinflussen sie aber auch die Rezeptoren, an denen Glukokortikoide wirken. Die Rezeptoren können dann die Wirkung der Glukokortikoide nicht mehr so gut weitergeben und die eigentliche Reaktion tritt nur vermindert auf. Es kommt zu einer Art Glukokortikoid-Resistenz, da diese zwar ausgeschüttet werden, aber keine Wirkung mehr erzielen. Eine Funktion der Glukokortikoide ist normalerweise die Herunterregulierung der Zytokine und damit eine Hemmung des Immunsystems. Wenn es aber zu einer derartigen Schleife kommt, können die Zytokine nicht mehr herunter reguliert werden und es beginnt ein Teufelskreis – die homöostatische Resilienz ist herabgesetzt.
Mikrobiom
Es ist mittlerweile weithin anerkannt, dass der Darm und das Mikrobiom wichtige Eckpfeiler der Gesundheit sind. Die Darmbarriere beeinflusst schließlich, was von unserer Nahrung auch wirklich im Blutkreislauf landet und dadurch biologisch aktiv wird. Das Zusammenspiel wird in Fachkreisen als Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse beschrieben. Wenn die Flora in unserem Darm aus dem Gleichgewicht kommt, hat das also eine Auswirkung auf einige andere Körperfunktionen, wie das Immunsystem oder die Psyche.
Jeder Mensch hat eine individuelle Flora, die auch mal aus dem Gleichgewicht kommen kann. Insbesondere durch schwere Erkrankungen kann das Mikrobiom mehr oder weniger schwer geschädigt werden. Ein resilientes, also widerstandsfähiges Mikrobiom bedeutet, dass auch bei Schwankungen die Auswirkungen nicht so groß sind und der Körper die Fähigkeit besitzt, diese Schwankungen gut auszugleichen und so zu einem gesamtgesunden Körper beizutragen. Der Grundstein dafür wird bereits in der Kindheit gelegt. Wer als Kind ein stabiles und gut funktionierendes Mikrobiom aufgebaut hat, kommt mit späteren Abweichungen meist besser zurecht.
Fazit Homöostatische Resilienz
Der gesamte Körper reagiert im Leben auf äußere und innere Schwankungen mit Anpassungen auf verschiedenen Ebenen. Du kannst dir diese Kreisläufe wie ein Segelboot auf hoher See vorstellen. Äußere Umstände wie hoher Wellengang oder starke Winde können das Boot aus dem Gleichgewicht bringen und fordern ein gutes Team auf dem Boot, das durch entsprechende Maßnahmen an den Segeln und Gewichtsverlagerung das Gleichgewicht wieder herstellt. Das Boot kann aber auch durch Crewmitglieder, falsch gehisste Segel oder Materialprobleme aus der Ruhe gebracht werden. In jedem Fall bedarf es einem Nachjustieren auf vielen Ebenen.
Je besser und ruhiger das Boot selbst im Wasser liegt und je besser die Crewmitglieder das Segelschiff kennen und miteinander eingespielt sind, desto eher kann aus einer Turbulenz wieder ein gutes Gleichgewicht hergestellt werden. Gut eingespielte und in sich resiliente Einzelkomponenten machen das gesamte System sicherer gegen Bedrohungen.
Quellen
Literatur:
López-Otín, Carlos, and Guido Kroemer. “Hallmarks of health.”Cell184.1 (2021): 33-63.https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33340459/
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