“What doesn’t kill you, makes you stronger” singt Kelly Clarkson 2011 in ihrem Hit. Dieser Satz ist nicht nur Markenzeichen einer erfolgreichen Musikerin und Motivationssatz für viele Menschen im alltäglichen Leben – der Satz beschreibt auch ein physiologisches Prinzip sehr gut: die sogenannte Hormesis, welche zu den 8 Hallmarks of Health zählt. Bei diesem Phänomen können geringe Konzentrationen eigentlich giftiger Substanzen einen positiven Effekt haben. Das bedeutet, dass bestimmte Reize den Körper trainieren und die Anpassung an diese Reize erhöht. Ergänzend passt auch die Aussage „Die Dosis macht das Gift“. Um das Prinzip der Hormesis besser zu verstehen, schauen wir uns ein Beispiel an. Wenn du nach langer Pause wieder Sport machst oder gerade erst mit dem Sport beginnst, ist die erste Einheit oft besonders schwer. Vielleicht bekommst du von der muskulären Beanspruchung in den nächsten Tagen einen Muskelkater und fühlst dich erstmal schlapper. In den darauffolgenden Sporteinheiten wird der Muskelkater weniger stark ausfallen und du kannst deine Leistung steigern. Denn deine Muskeln haben sich bei regelmäßigem Training an die Anforderungen gewöhnt.
Mitohormesis
Schauen wir uns einen gut untersuchten Hormesis-Effekt genauer an, müssen wir einen Blick auf die Vorgänge in den Mitochondrien werfen. In den Mitochondrien wird aus Sauerstoff und Zucker Energie gewonnen. Wenn die Mitochondrien gerade sehr viel Energie produzieren müssen, setzen sie dabei auch sogenannte ROS frei (das steht für reactive oxygen species, also reaktive Sauerstoffspezies). Sie wirken als Signal und warnen die Zelle vor Stress. Es ist gut, wenn Zelle und Körper vor Überanstrengung und dadurch folgenden Schäden gewarnt werden. Aber wie immer macht die Dosis das Gift. Denn wenn zu viele ROS ausgeschüttet werden, reagiert der Körper über und die Zellen nehmen Schaden. Bleibt die ROS-Ausschüttung nur kurzfristig, passt sich der Körper an, sodass er bei folgenden Belastungen mehr aushält.
Dieser Effekt macht sich zum Beispiel dann bemerkbar, wenn du mit sportlichem Training beginnst und sich die Mitochondrien deiner Muskelzellen an die neuen Anforderungen gewöhnen. Nicht nur der Muskelaufbau und die Erhöhung der Mitochondrienzahl beginnt – die einzelnen Mitochondrien werden auch stärker und leistungsfähiger.
Um auf sich ändernde Umweltbedingungen zu reagieren, ist es wichtig, dass der Körper sich durch Hormesis anpassen kann. Das macht deinen Körper auf lange Sicht anpassungs- und leistungsfähiger und spricht für eine gute Gesamtgesundheit.
Strahlenhormesis
Menschen, die einer gewissen ionisierten Strahlung ausgesetzt sind, sterben seltener an Krebs. Das klingt erstmal ausgesprochen paradox. Doch Statistiken über Strahlenarbeiter:innen aus England (UK) zeigen, dass diese eine geringere Krebsmortalität haben. Es klingt erstaunlich, dass die eigentlich sehr schädliche Strahlung einen „positiven“ Effekt haben soll. Forscher diskutieren dafür verschiedene Hypothesen, doch sowohl in dieser als auch in anderen Studien zeigt sich der Effekt der Strahlenhormesis. So sollen sehr geringe Dosen ionisierender Strahlung eine protektive, also schützende Wirkung haben, auch bei Tierversuchen. Tiere mit niedrig dosierter Strahlung zeigten eine ca. 20 % höhere Lebenserwartung und hatten auch in höherem Alter eine gesündere und jüngere Gesamterscheinung.
Xenohormesis
Werfen wir einen Blick in die Tier- und Pflanzenwelt. Alle wollen überleben, doch einige Tiere fressen Pflanzen. Als Schutzmechanismen aber auch als Stressreaktion produzieren manche Pflanzen dann giftige Stoffe. Forschende haben herausgefunden, dass diese Stoffe in geringer Dosis bei einigen Tieren eine lebensverlängernde Wirkung haben können. Wegen der Wechselwirkungen von Pflanzen und Tieren werden die Stoffe Xenohormetine genannt. Zu diesen Stoffen zählt auch Resveratrol, ein sekundärer Pflanzenstoff, der unter anderem von Prof. David Sinclair erforscht wird.
Quellen
Literatur:
- López-Otín, Carlos, and Guido Kroemer. “Hallmarks of health.”Cell184.1 (2021): 33-63.https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33340459/
- Dudley W. Lamming, Jason G. Wood and David A. Sinclair (2005): Small molecules that regulate lifespan: evidence for xenohormesis
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