Recycling – ein Begriff, der dir im Alltag sicher immer wieder begegnet. Sei es zum Thema Müll oder nachhaltiger Produktion diverser Produkte: Recycling ist sinnvoll, denn es spart sowohl Ressourcen als auch Energie. Diese Vorteile nutzt auch unser Körper für sich. Neben Energie- und Ressourcenersparnis ist Recycling ein wirksames Tool für den Körper, um Schäden vorzubeugen und bereits entstandene zu beseitigen. Zweiteres kann mitunter ein schwieriges Unterfangen sein. Um auf Dauer Schäden zu vermeiden, werden die meisten Bestandteile regelmäßig erneuert, und zwar unabhängig von etwaigen Beschädigungen. Große Moleküle werden zeitlebens in ihre Einzelteile zerlegt und wieder neu zusammengesetzt – Recycling eben.
Zelltod, Entfernung und Ersatz
Eine der offensichtlichsten Erneuerungen unseres Körpers ist das regelmäßige Nachproduzieren der Hautschichten. Die obere Hautschicht schuppt langsam ab und wird von unten durch immer neue und sich weiter teilende Zellen ersetzt. All das passiert allerdings unter unserem Radar.
Wusstest du, dass Hausstaub bis zu 80 % aus Hautschuppen besteht? Diese abgestoßenen Hautschuppen können natürlich nicht recycelt werden, zumindest nicht von unserem Körper zu neuen Zellbestandteilen. Dennoch handelt es sich um Zellerneuerung, die Schäden vorbeugen soll. Denn die Haut-Barriere ist ein wichtiger Bestandteil unseres Abwehrsystems gegen schädliche Umwelteinflüsse und Erreger, wie wir bereits im ersten Teil der Serie Hallmarks of Health gelernt haben.
Doch nicht nur unsere Haut erneuert sich regelmäßig, sondern fast alle Zellen des Körpers tun dies. Sobald Zellen sterben, senden sie verschiedene Signale, um das Recycling zu starten. Zunächst gibt es die Signale, durch welche die sterbenden Zellen von Phagozyten (Fresszellen) gefunden werden. Diese geben die Richtung vor, in welche sich die Phagozyten durch die Blutbahn und das Gewebe bewegen müssen, um die sterbenden Zellen zu finden. Sie erkennen die sterbenden Zellen anschließend durch Marker, die an der Zelloberfläche präsentiert werden. Diese Marker aktivieren die Phagozytose – also die Aufnahme der toten Zellbestandteile in die Fresszellen.
Diese Prozesse sind normale Funktionen des Immunsystems und dienen sonst der Beseitigung von Fremdkörpern. Um zu verhindern, dass der Körper von einer Infektion ausgeht und eine starke Immunreaktion startet, geben die sterbenden Zellen zusätzlich anti-entzündliche Stoffe ab. Diese hemmen eine überschießende Immunreaktion. Eine starke Immunreaktion ist wichtig, wenn es um die Entfernung von Erregern geht, im Falle des selbst induzierten Zellrecyclings ist dies aber nicht notwendig und nur Energieverschwendung bzw. Gewebeschädigung.
Recycling braucht Balance
Der natürliche Mechanismus von defekten Zellen ist also, dass sie von Fresszellen gefunden und recycelt werden wollen. Anders ist es bei Krebs: Tumorzellen senden oft genau gegenteilige Signale aus. Sie hemmen die Signale, welche den Fressprozess aktivieren und verstärken Signale, welche die Phagozytose hemmen (CD47). Dadurch sichern sie ihr Überleben.
Hast du schon einmal von Homöostase gehört? Hierbei handelt es sich um ein sehr wichtiges Prinzip in unterschiedlichen Bereichen des Körpers. Der Begriff beschreibt die Aufrechterhaltung eines physiologischen Gleichgewichtes. Beim Recycling geht es dabei um das Gleichgewicht zwischen abgebauten Zellen, neu entstehenden Bestandteilen und dem Pool an Ressourcen, welche für den Wiederaufbau genutzt werden. Ist dieses Verhältnis im Gleichgewicht kann der Körper so effizient wie möglich arbeiten, ohne den Gesundheitszustand zu gefährden.
Wie du vielleicht schon weißt, laufen die zellulären Prozesse je nach Gewebe in deinem Körper mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Auch der Umsatz von Zellen erfolgt je nach Gewebe unterschiedlich schnell bzw. langsam. Während ständig arbeitende Zellen mehr Energie produzieren und häufig beanspruchte Zellen häufiger erneuert werden müssen, gibt es auch Gewebe, in dem weniger Aktivität stattfindet und deshalb das Risiko für Beschädigung geringer ist. Diese Anpassung gibt es ebenfalls bei der Erneuerung der Zellen selbst. Die meisten Bestandteile des Blutes haben zum Beispiel einen sehr schnellen Umsatz, während Zellen des Nervensystems und Herzmuskelzellen relativ langsam, bis gar nicht recycelt werden können. Dies erklärt auch, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson in fortschreitendem Stadium nicht geheilt, sondern nur verlangsamt werden können. Denn eine vollständige Regeneration von bereits funktionslosem Gewebe ist bei diesen Zellen nur begrenzt möglich.
Autophagie – Zellinternes Verdauungssystem
Wenn du Nahrung zu dir nimmst, wird diese durch verschiedene Prozesse und Enzyme in ihre Einzelbausteine zerlegt, sodass dein Körper diese Teile anschließend weiterverwenden kann. Ein ähnliches Verdauungssystem hat auch jede einzelne Zelle – das Autophagolysosom. Wenn dein Körper nicht genug Energiereserven hat oder fehlgefaltete Proteine erkannt werden, nimmt das Autophagosom Proteine aus dem Zytoplasma auf. Anschließend verschmelzen die blasenartigen Phagosomen mit den sogenannten Lysosomen und bilden das Autophasolysosom. Lysosomen sind mit einer Art Verdauungssaft gefüllt, welcher einen sauren pH-Wert hat und Verdauungsenzyme enthält. Experimente haben gezeigt, dass dieser Mechanismus lebensnotwendig für die Zellen ist. Funktioniert die Autophagie nicht, kommt es zu einer Anhäufung von fehlerhaften Proteinen und Organellen im Zytoplasma – die Zelle stirbt.
Du hast sicher schon von Keto-Diäten, Intervallfasten oder Kalorienrestriktion gehört? Diese sehr beliebten Ernährungsweisen stimulieren die Autophagie und wirken sich laut Studien an Modellorganismen positiv auf den Gesundheitszustand sowie die Lebenslänge aus.
Wusstest Du?
Es gibt sehr viele unterschiedliche Wege zu Fasten. Z.B. das Scheinfasten von Valter Longo bei dem mit Hilfe von gezielten Inhaltsstoffen versucht wird die molekularen Wege des Fastens nachzuahmen. All diese Fastenarten sollen den Stoffwechsel wieder in die richtige Bahn bringen.
Andere Recycling-Mechanismen für Proteine
Neben dem Autophagiemechanismus gibt es im intrazellulären Raum auch das Ubiquitin-Proteasom. Wird ein Protein „ubiquitiniert“, bekommt es sozusagen den „zu entsorgen“-Stempel. In weiterer Folge werden alle Proteine mit diesem Stempel vom Proteasom abgebaut.
Der Autophagiemechanismus funktioniert zwar sehr effektiv, jedoch ist er auf den Zellinnenraum begrenzt. Einige Krankheiten zeichnen sich durch die Anhäufung von fehlerhaften Proteinen außerhalb von Zellen aus – so zum Beispiel Tau und Beta-Amyloide bei der Alzheimer-Demenz. Der Transport dieser Proteine aus der Zelle heraus erfolgt durch Teile des Autophagosoms. Es ist also notwendig für unsere Gesundheit, dass die Recyclingmechanismen ihre Arbeit so erledigen können, dass beschädigte Teile ersetzt werden können. Deshalb ist es wichtig, die Autophagie als wichtigstes Recyclingsystem gesund zu halten. Eine in der Forschung diskutierte Möglichkeit stellt hierbei das Molekül Spermidin dar.
Quellen
Literatur:
López-Otín, Carlos, and Guido Kroemer. “Hallmarks of health.”Cell184.1 (2021): 33-63.https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33340459/
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