„Du bist eine Maschine“ – dieser Satz trifft nicht nur auf muskelbepackte Menschen zu, sondern auf jede*n von uns. Neben der mechanischen Analogie ist unser Körper auch mit einer komplexen elektrotechnischen Maschine vergleichbar. Denn er besteht aus verschiedenen Kontrollzentren und Einzelteilen, die durch Schaltkreise verbunden sind.
Jedes Molekül, jede Zelle, jedes Organ kann Teil von mehreren Schaltkreisen sein und dabei unterschiedliche Funktionen übernehmen – sowohl Sender beziehungsweise Empfänger sein, oder übermittelnd funktionieren.
Schaltkreise innerhalb der Zelle
Wie du bereits im Artikel Hallmarks of Health 1 – Intakte Barrieren lesen konntest, ist jede Zelle ein eigener Reaktionsraum mit mehreren weiteren Abteilungen. Jeder dieser einzelnen Räume und deren Inhalt ist dabei Teil eines oder mehrerer Schaltkreise, gleichzeitig aber auch mit Schaltkreisen außerhalb der Zelle verbunden.
Innerhalb einer Zelle kommt AMP zum Beispiel in mehreren Funktionen vor. AMP steht für Adenosinmonophosphat und ist ein Baustein der RNA. RNA ist sozusagen die Arbeitskopie unserer DNA, die die Bauanweisungen für Proteine stellt. Außerdem ist AMP ein Produkt, das beim Abbau von ATP (der universellen Energiewährung unserer Zellen) entsteht. Wird in einer Zelle viel Energie – also ATP – benötigt, wird das Molekül abgebaut und es wird AMP frei. Folglich spricht ein hoher AMP-Spiegel in der Zelle für einen hohen Energieverbrauch.
Die hohe Konzentration des AMPs kann als Indikator für ein niedriges Energielevel wiederum energieaufwendige Prozesse in der Zelle herunterfahren, um so Energie zu sparen. Das geschieht durch die AMP-abhängige Kinase (AMPK). Wie der Name schon sagt, ist diese Kinase – ein Enzym, das die Struktur anderer Proteine und damit deren Funktion verändert – vom Molekül AMP abhängig. Im Falle eines hohen AMP-Spiegels, wird die Kinase aktiviert und ändert die Struktur von Enzymen, die für sehr energieaufwendige bzw. katabole Prozesse verantwortlich sind. Wenn die Zelle also sowieso schon viel Energie verbraucht, wird über diesen Schaltkreis der Energieverbrauch in Teilen der Zellen heruntergefahren.
Ähnlich wie AMP gibt es viele Schaltkreise oder auch Rückkopplungsschleifen in der Zelle, die die dortigen Prozesse kontrollieren und beeinflussen. Aber auch Funktionen außerhalb eines abgetrennten Zellraums können von Produkten der Zelle beeinflusst werden.
Schaltung von innen nach außen
Im Falle von Schäden in der Zelle, leitet diese entweder über intrazelluläre Wege die Apoptose (also den programmierten Zelltod) ein oder die Zelle gibt einen „Zerstörungsbefehl“ nach außen. Dies ist ein klassisches Beispiel aus dem Bereich der Immunologie und kommt zum Beispiel bei Schäden durch eine Infektion zur Anwendung. Wurde die Zelle sozusagen „überfallen“ kann es theoretisch dazu kommen, dass der Erreger die Zelle so beeinflusst, dass es zu einer weiteren Ausbreitung des Erregers kommt. Ganz typisch ist das bei viralen Infektionen.
Um dies zu verhindern, haben Zellen den Mechanismus der DAMPS bzw. PAMPS entwickelt. DAMP ist die Abkürzung für damage-assosciated pattern (Schaden assoziiertes Muster) – auch Alarmin genannt. PAMP steht für pathogen-associated pattern (Pathogen assoziiertes Muster). Dabei kann es sich um verschiedene Moleküle handeln, welche im Falle eines Zellschadens freigesetzt werden und so das Immunsystem aktivieren – das ist das „Zerstörungssignal“. Daraufhin wird die entsprechende Zelle von Zellen des Immunsystems zerstört. Das wird durch verschiedene Moleküle gesteuert, die auch Teil des Schaltkreises sind. Diese Kommunikation von Zellen nach außen und von Zellen untereinander ist wichtig. Aber ohne Befehle von außen an die Zelle funktioniert auch nichts. Schauen wir uns diesen dritten Kommunikationsweg an.
Schaltkreise von außen nach innen
Wir wissen nun: Zellen agieren selbst und reagieren auf Befehle, die sie von anderen Zellen bekommen. Sie reagieren aber auch auf externe, nicht organische Befehle. Ein gutes Beispiel ist Licht, das einige Schaltkreise aktivieren kann. Licht aktiviert die Produktion von Melanin in unseren Hautzellen und verkleinert die Pupillen im Auge, damit der Licht-Einfall auf die Netzhaut geringer wird. Auch unser Schlafrhythmus wird durch Licht beeinflusst (mehr dazu im nächsten Artikel über rhythmische Oszillation). Für die Reaktion auf äußere Einflüsse, wie Licht, pH-Wert, Temperatur oder Druck gibt es in unserem Körper spezialisierte Sensorzellen. Sie nehmen als Teil eines Schaltkreises äußere Einflüsse über Rezeptoren auf und übersetzen sie so in die Sprache des Körpers, also auf molekulare Ebene. Andere Zellen reagieren dann darauf. Aber nicht nur die Sensorzellen, sondern jede Zelle unseres Körpers reagiert auf Einflüsse von außen.
Organe und systemische Einheiten
Alle Teile unseres Körpers sind auf Zellebene miteinander verbunden. Aber auch Organe und Teile verschiedener Körpereinheiten kommunizieren in sich und untereinander. Und was ist die wichtigste Schaltzentrale unseres Körpers? – Richtig, das Gehirn, bzw. genauer gesagt unser zentrales Nervensystem, zu dem auch das Rückenmark zählt. Hier werden nicht nur Signale gesendet, sondern auch empfangen, verarbeitet und weitergeleitet.
Meta-Verschaltungen: Organismen im Organismus
Auch andere Organismen spielen in der Funktionalität unseres Körpers eine große Rolle. Die Darmflora (Mikrobiota) ist immer wieder im Rampenlicht verschiedener Untersuchungen über unsere Gesundheit. Sie beeinträchtigt uns maßgeblich und besteht aus Milliarden Bakterien und anderen Mikroorganismen. Die Mikrobiota sollen unter anderem Auswirkungen auf Allergien, das Immunsystem und unsere psychische Gesundheit haben. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch dieses Zahnrad wichtig für den Gesamtschaltkreis des Körpers ist. Das Darmmikrobiom kann also sowohl Grund für Gesundheit als auch für Krankheit sein.
Das Domino-Problem von Schaltkreisen
Die Integration all dieser Schaltkreise und ihrer einzelnen Zahnräder ist essenziell für eine funktionierende Gesamtmaschinerie und im Falle von Störungen an einzelnen Punkten, hat unser Körper effektive Reparaturmechanismen. Dennoch führt die komplexe Verschaltung auch dazu, dass Krankheit selten nur an einzelnen Stellen wirkt, sondern sich über die zahlreichen Verknüpfungen in verschiedenen Symptomen zeigt.
Wie du an den Beispielen siehst, sind all diese und auch alle anderen Funktionsketten innerhalb unseres Körpers, in den Organen und in und zwischen den Zellen unabdingbar für einen gut funktionierenden Gesamtorganismus und damit für die Gesundheit. Die Gesamtmaschinerie des Körpers besteht aus atemberaubend vielen einzelnen Schaltkreisen und einzelnen Zahnrädern, die sich drehen. Sobald jedoch einzelne wichtige Verkettungen wegfallen oder nicht mehr richtig funktionieren, kann sich dies als Kettenreaktion auf andere Prozesse auswirken und so unsere gesamte Gesundheit gefährden.
Einige dieser Schaltkreise sind abhängig von Produkten des Körpers, einige abhängig von äußeren Faktoren. Andere unterliegen innerhalb ihrer Abhängigkeit einer Regelmäßigkeit. Man spricht in diesem Fall von Oszillation. Auf diese oszillierenden Rhythmen, zu denen zum Beispiel unser Schlaf-Wach-Rhythmus und der Menstruationszyklus zählen, werden wir im nächsten Artikel der Hallmarks of Health eingehen.
Quellen
Literatur:
López-Otín, Carlos, and Guido Kroemer. “Hallmarks of health.”Cell184.1 (2021): 33-63.https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33340459/
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