„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“ ist eine Aussage, die gerne von Menschen getroffen wird, wenn sie über Krankheiten, unerwartet schreckliche Ereignisse, Streit, aber auch über Zwischenmenschliches ins Gespräch kommen. Damit soll „Jeder“ beruhigt werden, denn unabhängig von dem Ausmaß des Päckchens trifft es nun ja jeden von uns. Davon ist keiner ausgenommen. Bei manchen ist es größer und bei manchen kleiner. Trotzdem sitzen wir alle im selben Boot. Mit diesem Artikel wollen wir in ein Boot steigen, in dem bereits über 600 Millionen Menschen weltweit sitzen und darunter leiden. Übergewicht und Adipositas. Bei diesen Menschen sammelt sich überschüssiges Fett im Körper an, was schlussendlich zur Fettleibigkeit, die heutzutage als chronische Krankheit anerkannt ist, führt. Zusätzlich geht Übergewicht Hand in Hand mit mehreren Gesundheitsproblemen wie Zuckerkrankheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Beide stellen somit eine ernste Bedrohung für die Gesundheit sowie das körperliche Wohlbefinden dar und sollten unbedingt vermieden werden.
Zielsetzung – Betain als Waffe gegen Übergewicht
Um dieses vollbeladene Boot vor dem Sinken zu retten, wurden bereits einige Methoden zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas erprobt. Gegenwärtig wird effektiven Strategien zur Gewichtsreduktion, wie beispielsweise einer Änderung des Lebensstils oder einer diätetischen Maßnahme, zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Aber auch neuere Medikamente, wie Ozempic, spielen eine Rolle.
Dabei haben Nahrungsergänzungsmittel aus Naturprodukten bereits eine große Leistung in der Vorbeugung von Fettleibigkeit erbracht. Eine Studie von Gao und KollegInnen aus dem Jahr 2019 nahm dabei ein Molekül namens Betain genauer ins Visier. Diese Substanz konnte bereits in einigen anderen Studien einen Abnehmeffekt vorzeigen. Jedoch waren die Resultate in Menschenstudien inkonsistent und teilweise sogar kontrovers. Deshalb mussten die Ergebnisse dieser Berichte über die Wirkungen von Betain beim Menschen objektiv überprüft und zusammengefasst werden.
Material und Methoden
Gleich am Anfang stellt sich die berechtigte Frage, wie man so ein widersprüchliches Problem angehen kann. Doch die Lösung ist relativ simpel. Um die Rolle von Betain bei Adipositas bewerten zu können, wurde die gesamte Literatur systematisch überprüft und eine Metaanalyse über Betain und seine Effekte beim Menschen durchgeführt. Bevor wir uns gleich mitten in die Ergebnisse stürzen, sollte zuerst einmal geklärt werden, was eine Metaanalyse überhaupt ist. Ein Alltagsbegriff ist es mal auf keinen Fall. Wenn Normalsterbliche – also Menschen wie Du und ich – über Forschung und Wissenschaft sprechen, stellt man sich meistens dasselbe vor: Ein Experiment, welches entweder funktioniert beziehungsweise glückt oder eben nicht. Für einen Fachmann ist das keinesfalls so. Ganz im Gegenteil. Neben solchen einfachen Studienmodellen gibt es ebenso Forschungsprojekte, die mehrere dieser Arbeiten zusammenfassen.
Ein Beispiel: Der Goldstandard – also der Gewinner der Goldmedaille – unter den wissenschaftlichen Experimenten ist die Randomisiert-kontrollierte Studie oder kurz RCT genannt. Dabei wird eine Anzahl von Menschen zufällig (also randomisiert) in eine Behandlungsgruppe und eine Kontrollgruppe (deswegen kontrolliert) eingeteilt und miteinander verglichen. Der Haken an diesen RCTs ist aber die meist geringe Anzahl an untersuchten Personen. Deshalb gibt es Metaanalysen, um dieses Problem zu lösen. Dabei werden einfach mehrere RCTs mit derselben Fragestellung zusammengefasst und bewertet. Einfacher gesagt als getan. Hinter diesen Metaanalysen steckt ausgesprochen viel Arbeit. Nicht umsonst gelten sie als Königsdisziplin der evidenzbasierten Medizin.
Vorsicht Verwechslungsgefahr. In dieser Studie ging es um Betain-TMG. Betain-HCL hört sich sehr ähnlich an, hat aber andere Eigenschaften
Ergebnisse – Betain als molekulares Cillit Bang
Zurück zu unserer Betain-Studie. In dieser Arbeit wurden 6 RCTs mit insgesamt 195 TeilnehmerInnen zusammengefasst und evaluiert. Dabei zeigte sich, dass die Supplementierung von Betain die gesamte Körperfettmasse und den Körperfettanteil von den ProbandInnen signifikant reduzierte. Zwar wurden keine Veränderungen bezüglich des Körpergewichts und des Body-Mass-Index beobachtet. Jedoch legen die Ergebnisse nahe, dass eine Nahrungsergänzung mit Betain ein wirksamer Ansatz zur Reduzierung des Körperfetts sein könnte. Fast schon wie ein molekulares Cillit Bang macht Betain als Fettlöser den Kraftreinigern in der Küche heiße Konkurrenz.
Trotzdem darf man die Schwächen und Limitationen dieser Studie nicht ganz außer Acht lassen. Immerhin variierte die eingenommene Menge Betain von 2,2-9 Gramm pro Tag und die Behandlungsdauer schwankte zwischen 10 Tagen und 24 Wochen. Es gibt halt nicht „die“ perfekte Studie. Wie auch immer. Sei es das Wohlstandsbäuchlein, ein paar Kilos zu viel oder doch nur der Babyspeck. Mit einem ehrlichen Blick auf die Waage muss man einfach feststellen, dass nichts um eine Veränderung des Lebensstils herumführt.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend lieferte diese Studie weitere Beweise dafür, dass ergänzendes Betain das Körperfett bei menschlichen ProbandInnen reduzieren konnte. Die Nahrungsergänzung mit Betain könnte ein wirksamer Ansatz zur Behandlung von Fettleibigkeit und zur Verbesserung der Körperzusammensetzung sein. Dennoch erwähnten die Autoren, dass angesichts der positiven Vorteile zusätzliche RCTs mit größeren Stichprobengrößen notwendig sind, um weitere Erkenntnisse zu diesem Thema zu gewinnen.
Quellen
Referenzen
Gao, X., Zhang, H., Guo, X. F., Li, K., Li, S., & Li, D. (2019). Effect of Betaine on Reducing Body Fat-A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials.Nutrients,11(10), 2480. https://doi.org/10.3390/nu11102480
Grafiken
Die Grafiken wurden unter Lizenz von Shutterstock.com erworben und dementsprechend gekennzeichnet.