Die alternde Bevölkerung wächst in allen Teilen der Welt stark. Ebenso stark ist in den letzten Jahren das Interesse an der Anti-Aging Forschung gestiegen. Forscherinnen und Forscher arbeiten rund um den Globus fieberhaft an Wegen gesund alt und älter zu werden. Tatsächlich schließen sich Gesundheit und hohes Alter mittlerweile nicht mehr aus – innovativen Köpfen sei Dank. Dabei hat sich in der Forschung unter anderem ein Ansatz speziell hervorgetan: Im Alter nimmt die Menge des Moleküls NAD in unseren Zellen ab. NAD ist indirekt an der DNA-Reparatur beteiligt. Täglich passieren Millionen von Fehlern bei der Zellteilung. Diese können im Normalfall mehrheitlich repariert werden. Wenn im Alter NAD fehlt, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr so gut – wir werden krank und altern. Was die Vitamin B3-Familie damit zu tun hat? Hier kommt die Antwort auf diese spannende Frage.
Vitamin B3 – Vorkommen und Wirkung
Niacin, auch als Vitamin B3 oder Nikotinsäure bekannt, hat über diverse Folgemoleküle vielfältige positive Wirkungen im Körper. Es bildet einen Ausgangspunkt für die NAD Erzeugung. Es erniedrigt LDL- („lass das lieber“), erhöht HDL- („hab dich lieb“) Cholesterin und kann Blutfette senken. Einige Studien haben zudem positive Effekte auf die Haut, auf das Gehirn und auch im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gezeigt. Das Molekül hat also wahrlich Superkräfte. Der tägliche Bedarf von Niacin liegt bei 14-16mg. Und wo findet man es überall? Glücklicherweise ist Vitamin B3 theoretisch und auch praktisch everybody’s darling. Geflügel, Wildfleisch, Fisch, Erdnüsse oder Linsen sind besonders Niacin-hältig, aber auch Kaffee, Cashew-Kerne, Vollkornprodukte, Pilze, Milchprodukte und Eier beinhalten nennenswerte Mengen. Egal also ob du zu den deutschlandweit sechs Millionen Vegetariern, der einen Million Veganern oder zum Normalo-Verbraucher gehörst, Mangelsymptome sind ob der breiten Verfügbarkeit beim Menschen selten.
Die Dosis macht das Gift
Umgekehrt kann eine falsch dosierte Nahrungsergänzung mit Niacin ungeliebte Symptome erzeugen. Bei einer täglichen Zufuhr von über 500 mg Niacin pro Tag (manchmal auch schon weniger) kann es zu einem „Flush“ kommen. Damit meinen Fachleute eine anfallsartige Hautrötung, die vorwiegend im Gesicht oder auf dem Oberkörper auftritt. Der ein oder andere von euch kennt das bestimmt aus so mancher peinlichen Situation. Bei noch höherer Dosierung (>2,5 g pro Tag) können gravierendere Symptome wie Blutdruckabfall, Schwindelgefühle und erhöhter Harnsäuregehalt im Blut auftreten. Darüberhinaus besteht bei Dosen von mehreren Gramm am Tag die Gefahr für Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Leberschädigung. In manchen Studien hat sich bei der Langzeiteinnahme von hochdosierten Niacin-Präparaten auch die Glukosetoleranz verschlechtert.
1. Familienmitglied – NAM
Nicotinamid (Niacinamid,NAM) ist ein Derivat, umgangssprachlich Abkömmling, von Niacin und ebenfalls ein Mitglied der Vitamin B3 Familie. Es erscheint deshalb auch logisch, dass sich das positive Wirkspektrum mit Niacin teilweise überschneidet. Da es sich chemisch um ein anderes Molekül handelt, fällt der Flush als Nebenwirkung weg. Also wie Superman, nur besser? Jein. Im Körper fällt NAM beim Abbau von unserem Wunschmolekül NAD an.Dieses NAM kann der Körper über einen speziellen Stoffwechselweg (Salvage-Pathway) retten und dann wiederverwenden, um neues NAD über Folgemoleküle zu produzieren. Die Verarbeitung in unserem Körper unterscheidet sich also.
Der tägliche Vitamin-B3 Bedarf kann auch in Form von NAM gedeckt werden. Ähnlich wie bei Niacin macht auch bei NAM die Dosis das Gift. Patienten, die 3 g Nicotinamid am Tag über 3 bis 36 Monate einnahmen, klagten über Übelkeit, Kopfschmerzen, Nesselsucht, Müdigkeit, Gesichtsstarre und Anpassungsstörungen der Augen. Bei noch höheren Dosen (bis 9 g täglich) wurden Leberschädigungen beobachtet. Ist nun Niacin oder Nicotinamid besser, wenn es darum geht dem Körper etwas Gutes zu tun? Das kann so nicht beurteilt werden, weil sich die Verarbeitung im Körper und der Weg hin zu NAD unterscheidet, oder anders gesagt “same, same but different.”
NR und NMN
Kommen wir zum nächsten Mitglied der Vitamin B3-Familie. Dabei handelt es sich um Nicotinamid-Ribosid(NR), ein weiteres Derivat von Niacin. In einer Studie hat sich das Molekül als Anti-Aging Arzneistoff empfohlen. Es ist ebenfalls ein Vorläufer von NAD. Allerdings muss NR, wie auch NAM, vorher in das vierte Familienmitglied (NMN) umgewandelt werden und dieses dann weiter in NAD. Wir haben in einem anderen Artikel NR und NMN verglichen.
Dieses NMN (Nicotinamid Mononukleotid) ist ebenfalls ein Abkömmling von Niacin, allerdings ist die chemische Verwandtschaft etwas entfernter. Es stellt im Körper den direkten Vorläufer von unserem Zielmolekül NAD dar. NMN kann in der Zelle also in nur einem Schritt zu NAD+ umgewandelt werden. Hier sind wir bei einer eventuellen Nahrungsergänzung also am nächsten dran. Ganz so, als müsste sich unser Superman gar nicht mehr auf den Weg machen, weil er schon direkt vor Ort ist. Dr. David Sinclair, ein Pionier auf dem Gebiet der NMN-Forschung, konnte in Studien an Nagetieren zeigen, dass eine Substitution vonNMNeine deutliche Steigerung des NAD+ Spiegels bewirkt.
Es führen also viele Wege nach Rom. Die Frage ist nur ob man über die Landstraße oder über die Autobahn fährt. Im Idealfall ist man sogar schon da.
Quellen
Literatur
Denu, J. M. (2007). Vitamins and aging: pathways to NAD+ synthesis.Cell,129(3), 453-454.https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0092867407005296
Uddin, G. M., Yongson, N., Sinclair, D., & Morris, M. (2015). Effects of High Fat Diet Induced Obesity on Mitochondrial Biogenesis and Function–Impact of Exercise or Nicotinamide Mononucleotide (NMN). The FASEB Journal,29(1_supplement), 777-8.https://www.fasebj.org/doi/abs/10.1096/fasebj.29.1_supplement.777.8
Zhang, H. et al.(2016). NAD+ repletion improves mitochondrial and stem cell function and enhances life span in mice. Science,352(6292), 1436-1443.https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27127236
Hwang, E. S., & Hwang, S. Y. (2018). Cellular NAD⁺ level: a key determinant of mitochondrial quality and health. Annals of Geriatric Medicine and Research,21(4), 149-157.https://www.e-agmr.org/upload/pdf/AGMR021-04-02.pdf
Irie, J. et al. (2020). Effect of oral administration of nicotinamide mononucleotide on clinical parameters and nicotinamide metabolite levels in healthy Japanese men. Endocrine journal,67(2), 153-160.https://www.jstage.jst.go.jp/article/endocrj/67/2/67_EJ19-0313/_article
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